Wer Mode liebt, weiß: Es ist eine der höchsten Stufen der Selbstdisziplin, neu gekaufte Kleidung erst einmal zu waschen, bevor man sie zum ersten Mal trägt. Oft bleibt uns allerdings nichts anderes übrig, denn wir reißen freudig die Verpackung auf und uns schlägt ein Geruch entgegen, der die persönliche Hölle aller Modefans ist. Eins ist klar: Da sind so viele Chemikalien am Start, ohne Hygienespüler kommt selbst das traumhafteste neue Teil nicht an unsere Haut!
Dabei ist es eigentlich gar nicht nötig, sich schon von hundert Meter Entfernung aus anriechen zu lassen, welche Textilien wir heute tragen. Mit ein paar Tipps ist es nämlich ganz einfach, auf Stoffe zurückzugreifen, die umweltfreundlich produziert wurden. Lies hier alles, was du zu nachhaltigen Materialien wissen musst!
Nachhaltigkeit: das It-Piece der Saison!
Es ist wie beim Kochen: Für ein richtig gutes Dinner braucht es erst einmal die besten Zutaten, sonst hilft dir das beste Rezept nichts. Überspring also lieber nicht den Schritt, schon bei den Materialien deiner Kleidung auf nachhaltige Alternativen zu achten, damit das Gesamtprodukt einen so kleinen ökologischen Fußabdruck wie möglich hinterlässt.
Dieser kann nämlich ziemlich groß werden, wenn beim Anbau der Pflanzen bereits mit Pestiziden und genverändertem Saatgut gearbeitet wird. Auch bei der Verarbeitung werden häufig viele Chemikalien eingesetzt, die schlecht für die Umwelt und später auch für unsere Haut sind.
Neben dem Umweltaspekt sind auch die Bedingungen für die Arbeitskräfte, die am gesamten Prozess der Materialerstellung beteiligt sind, ein großer Faktor. Wie bei allen Arbeitsschritten, die bei der Herstellung von Kleidung nötig sind, ist auch die Produktion der Materialien oft mit Ausbeutung verbunden.
Bei der Wahl der Textilien auf nachhaltige Materialien zurückzugreifen, ist daher gut für Mensch und Natur. Umweltfreundlich bedeutet gleichzeitig auch hautfreundlich und langlebig, da unter anderem Bioqualität hier eine große Rolle spielt.
Ob ein Textil gut für die Umwelt, Tier und Mensch ist, hängt also davon ab, ob der Anbau, der Gewinn und die Weiterbehandlung der Fasern unter guten Bedingungen sowie ohne Pestizide, Chemikalien, Düngemittel und Co. stattfindet. Hier sieht’s bei gängigen Materialien recht unterschiedlich aus:
Das nachhaltigste Material? Wie immer: Es kommt darauf an!
Grundsätzlich sind natürliche Fasern wie Baumwolle, Wolle, Seide, Leinen, Hanf und Jute eine gute Basis für umweltfreundliche Kleidung. Allerdings solltest du dich hierbei über Gütesiegel informieren, damit du schon mit einem kurzen Blick aufs Etikett einschätzen kannst, ob es wirklich so nachhaltig um das jeweilige Material bestellt ist.
Ein paar Worte zu…
Baumwolle und Leinen
Beide Materialien sind für Kleidung extrem beliebt, aber sind Leinen und Baumwolle umweltfreundlich? Antwort: Jein, denn hier muss sehr auf die Herkunft geachtet werden. Hohe Pestizidbelastung, schlechte Bedingungen beim Anbau und Monokulturen, die der Umwelt zusetzen, machen die Materialien leider oft zu einer wenig nachhaltigen Wahl.
Daher beides lieber nur in der Bio-Variante, denn hier wird unter kontrollierten Bedingungen angebaut und verarbeitet. Gütesiegel wie GOTS, IVN-best oder Fairtrade helfen dir, bei Baumwolle und Leinen zur umweltfreundlichen und fairen Variante zu greifen.
Hanf
… sollten wir eigentlich viel mehr verwenden, denn dieses Material wird ökologisch nachhaltig angebaut und hat wahre Superhelden-Eigenschaften: Strapazierfähig, antibakteriell und langlebig. Einziges Manko: Oft kommt Hanf aus China, weil der Anbau in Europa durch Bürokratie extrem erschwert wird. Die langen Transportwege sollte man also im Hinterkopf behalten, wenn man den ökologischen Fußabdruck des Materials einschätzen möchte. Hier lohnt es sich nachzufragen oder einen Blick auf das Etikett zu wagen, ob es Angaben oder im besten Fall sogar Gütesiegel zum Anbaugebiet gibt.
Umwelfreundliche Kleidung kann viele Formen annehmen – und es gibt mehr als eine Alternative zu Baumwolle
Wolle und Seide
Wer ganz auf tierischen Ursprung verzichten möchte, ist mit diesen beiden Materialien natürlich nicht optimal beraten. Sie haben aber auch Vorteile, so ist Wolle beispielsweise ein tolles Material für den Winter, da es warm hält und dabei atmungsaktiv ist. Bei beidem solltest du aber zur Bio-Variante greifen, um gute Tierhaltung und chemiefreie Verarbeitung zu unterstützen. Bei nachhaltig hergestellter Seide wird außerdem kontrolliert, dass die Puppen der Seidenspinnerraupe für die Herstellung nicht getötet werden.
Eine vegane Alternative könnte es außerdem auch bald geben: Mit Stoffen wie Bananenseide, Brewed Protein und Lenpur wird gerade an Materialien gearbeitet, die ähnliche Eigenschaften wie Wolle und Seide aufweisen, ohne auf tierischem Ursprung zu basieren. Sie werden hergestellt aus dem Stamm der Bananenstaude, fermentieren sich aus Zucker und Mikroben oder sind wie im Fall von Lenpur aus Holzzellulose, die zu Stoff verarbeitet wird. Neben diesen zukunftsträchtigen Erfindungen gibt es außerdem noch eine tolle Alternative zu Seide, und zwar …
Tencel/Lyocell
Ebenfalls angenehm kühl und leicht glänzend, ist das in Österreich entwickelte Material die umweltfreundliche Wahl, wenn man auf Seide verzichten möchte. Tencel wird außerdem bereits als die Baumwolle der Zukunft gehandelt. Es wird aus Eukalyptusholz gewonnen und ist durch die Herstellung ohne giftige Stoffe ökologisch abbaubar.
Lyocell ist gut zu unserer Haut und atmungsaktiv – daher auch im Sommer ein toller Begleiter. Einzig den Anbau muss man näher im Blick behalten: Monokulturen können hier der guten Bilanz des Textils einen Strich durch die Rechnung machen, da mit ihnen Rodungen, eine hohe Pestizidbelastung und Bodenerosionen einhergehen.
Naturkautschuk
Dieses Material kann im Vergleich zu synthetischen Alternativen mit einer viel niedrigeren Energiebilanz aufwarten. Wenn du also Gummistiefel oder einen neuen Regenmantel suchst, dann achte darauf, dass sie aus Naturkautschuk hergestellt wurden. Behalte aber im Hinterkopf, dass die Pflanze hauptsächlich in Asien wächst, wodurch lange Transportwege nötig sind und die Anbaubedingungen problematisch sein können. Hier gibt es aber bereits erste Versuche, die einzelnen Arbeitsschritte und ihre Hintergründe für die Verbraucher*innen nachvollziehbar zu machen, beispielsweise durch den WWF.
Synthetikfasern
Man könnte annehmen, dass sie die schlechteste Wahl sind, wenn man Wert auf nachhaltige Kleidung legt. Aber nicht unbedingt: Zum Teil sind Synthetikfasern insgesamt gesehen weniger schlecht für die Umwelt als beispielsweise herkömmliche Baumwolle, die einen enorm hohen Wasserverbrauch aufweist, oder Wolle, deren CO2-Abdruck in etwa doppelt so hoch ist. Man muss allerdings beachten, dass Synthetikfasern unter Verwendung vieler Chemikalien hergestellt werden und zum Mikroplastikproblem in unserem Grundwasser beitragen.
Kleiner Tipp: Bei Kleidung aus Synthetikfasern lohnt sich ein Wäschesack, der Mikroplastik abfängt. Netze wie von der Marke Guppyfriend, in die du die gesamte Wäscheladung geben kannst, fangen Mikroplastikpartikel ab, damit sie nicht ins Grundwasser gelangen. Denn: Bei Kunstfasern brechen oft kleine Partikel während des Waschgangs ab, die dann die Umwelt belasten. Natürlich ist es ratsam, bei Neukäufen eher zu Naturtextilien zu greifen, aber bei Teilen aus Kunstfasern (wie Sportkleidung oder Strumpfhosen) kann so ein Washbag nachhaltige Abhilfe schaffen.
Quick Guide: Was ist wichtig bei nachhaltiger Kleidung?
Grundsätzlich sind folgende Punkte eine gute Basis, wenn du auf der Suche nach Kleidung aus nachhaltigen und umweltfreundlichen Materialien bist:
- Bio-Alternativen schaffen oft Probleme aus der Welt, die bei den herkömmlichen Varianten für Mensch und Umwelt auftreten.
- Genverändertes Saatgut, Pestizide und Chemikalien lieber vermeiden.
- Besser vegane, pflanzliche Fasern als solche tierischen Ursprungs.
- Achte außerdem auf den Energie- und Wasserverbrauch bei der Herstellung und dem Transport nach Europa. Das Anbaugebiet und die Arbeitsabläufe vor Ort sind hier wichtige Kriterien. Diese sind am besten nachzuvollziehen über Zertifizierungen.
- Gütesiegel sowie Projekte wie das Bündnis für nachhaltige Textilien oder die Fair Wear Foundation geben dir wertvolle Anhaltspunkte, zu welchen Marken du greifen solltest.
Das nächste Mal also, wenn du den neuen Schal, die schicke Bluse oder das stylische T-Shirt aus der Verpackung ziehst, gibt’s hoffentlich nichts als himmlische Freude. Umweltfreundliche und nachhaltige Materialien zu finden, ist mit ein paar Infos im Hinterkopf nämlich gar nicht so schwer. Pack deine nachhaltige Kleidung also an der Wurzel und achte schon bei der Wahl der Textilien auf Alternativen, die gut für Mensch und Umwelt sind.
Titelbild von Sarah Brown. Weiteres Bild von Shanna Camiller.